Montag, 15. Februar 2010

Report Darstellende Künste - Kernergebnisse auf der Homepage



Die ersten Kernergebnisse des Berliner Symposiums „Die wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Theater- und Tanzschaffenden im Kontext internationaler Mobilität“, das vom 04.bis 06. Mai 09 in Berlin stattfand, sind nun in 12 Beiträgen auf der Homepage des Fonds Darstellende Künste abrufbar. Die Texte sind den „Kulturpolitischen Mitteilungen“, Nr. 125, II/2009, entnommen. 
Die Rechte für den Nachdruck oder die Verwendung der Texte in anderen Zusammenhängen sind bei den Autoren einzuholen.
Die Publikation der Gesamtstudie, der Diskussionsprozesse des Sympo­siums und weiterer aktueller Texte wird voraussichtlich bis März 2010 als Buch vorliegen (Herausgeber Fonds Darstellende Künste in Kooperation mit dem Klartext Verlag).
www.fonds-daku.de
aus: off-informationen >> nr. 01/10

Freies Theater im Landtag von Nordrhein-Westfalen

Es kommt selten vor, dass in einem Landesparlament über Freies Theater gesprochen wird. Umso bemerkenswerter die kurze aber interes­sante Debatte im Landtag von Nordrhein-Westfalen am 17. Dezember des vergangenen Jahres über einen Antrag der Regierungskoalition von CDU und FDP mit dem Titel „Die Freie Theater- und Tanzszene in Nordrhein-Westfalen als Ort der Kreativität stärken“. Allein dieser Antrag für sich genommen dokumentiert den hohen Stellenwert der Freien Theater in NRW. Was dann aber von den kulturpolitischen Sprechern aller Fraktionen über das Potential und die Schaffenskraft Freischaffender Darstellender Künstler zu hören war, ist bisher in deutschen Parlamenten beispiellos. Aber alles der Reihe nach.
Am 24. November richteten die Fraktionen von CDU und FDP in Nord­rhein-Westfalen nachstehenden Antrag als Beschlussvorlage an den Landtag mit dem Ziel, diesen am 17. Dezember per Parlamentsbeschluss in den Kulturausschuss des Landtags einzubringen:


Antrag der CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen
Die freie Theater- und Tanzszene in Nordrhein-Westfalen als Ort der Kreativität stärken
I. Der Landtag stellt fest:
Die freie Theater- und Tanzszene mit ihren über 100 Ensembles und etwa 80 Einzelkünstlerinnen und -künstlern ist ein wichtiger Bestandteil der nordrhein-westfälischen Theaterlandschaft. Sie hat sich in den letzten Jahren professionalisiert und profiliert. Theater und Tanz in der freien Szene sind keine Hobbyveranstaltungen, sondern künstlerische Leistungen. Die freie Szene steht inzwischen für innovative und experimentelle Darbietungen, die verschiedenste Formen der Darstellung miteinander kombinieren. Es gelingt ihr durch ihre Kreativität immer wieder, neue theatralische und spartenübergreifende Kunstformen zu schaffen.
Darüber hinaus stellt die freie Szene einen besonderen Ort der Begegnung dar, nicht nur für professionelle Künstler und Künstler­innen, sondern für alle gesellschaftlichen Schichten, für Kinder, Jugendliche, Laien und ebenso für Künstler und Künstlerinnen anderer Kulturkreise. Das künstlerische Schaffen gewinnt in dieser Hinsicht zugleich eine wichtige soziale Dimension.
Die vielfältige Projektarbeit der freien Theater- und Tanzszene, die sowohl national als auch international ausgerichtet ist, bereichert das künstlerische Angebot in Nordrhein-Westfalen. In den Projekten spiegeln sich häufig die politischen und sozialen Konflikte und Pro­zesse der jeweiligen Städte und Regionen. Sie unterstützen daher den gesellschaftlichen Dialog und tragen zum sozialen Engagement bei.
Die Ensembles der freien Szene haben in der Regel kein „festes Haus“. Sie organisieren sich selbst. Ihnen steht normalerweise kein Verwaltungsapparat zur Verfügung und es fehlt ihnen mitunter an der notwendigen Infrastruktur, wie Probenräumen, Technik, Per­sonal für administrative Aufgaben, Netzwerken zur Organisation von Gastspielen etc. In Nordrhein-Westfalen hat sich die freie Szene in den letzten Jahren vor allem in künstlerischer Hinsicht auf qualitativ hohem Niveau weiter entwickelt. Dazu beigetragen haben zahlreiche Einrichtungen, die der freien Szene die notwendige Infrastruktur bieten, um unter professionellen Bedingungen hoch­wertige künstlerische Produktionen zu erarbeiten. Die Vielfältigkeit und der Ideenreichtum der freien Theater- und Tanzszene werden durch diese Einrichtungen unterstützt.
Diese Entwicklung soll weiter vorangetrieben werden.
II. Der Landtag beschließt:
Vor diesem Hintergrund wird die Landesregierung daher aufge­fordert, eine grundsätzliche Neukonzeption der freien Theater­förderung ab 2011 zu erarbeiten.
Die Konzeption soll in der Struktur aller Förderbereiche des freien Theaters eine neue Perspektive schaffen, vergleichbar der Tanzkon­zeption NRW ab dem Jahr 2009. Die neuen Förderbereiche sollen insbe­sondere der Sicherung der Infrastruktur einschließlich Perso­nal für freie Ensembles dienen. Unterstützt werden dabei auch Ko­ope­rationen von verschiedenen Einrichtungen, die vor allem die Mög­lichkeiten für Gastspiele regional und überregional erleichtern sollen. Langfristiges Ziel ist eine qualitative Verbesserung für die künstle­rische Produktion und Präsentation. Für zu definierende Ent­schei­dun­gen sollte eine Jury überregionaler Experten hinzu­gezogen werden.
Bereits 2010 sollen drei Theaterzentren im Rheinland, in Westfalen und im Ruhrgebiet als wichtige Produktionshäuser gestärkt werden. Voraussetzungen einer Förderung sind die produzierende Tätigkeit der Häuser und die künstlerische Qualität des Gesamtspielplans, welche die Produktionsstätte als überregional und international relevante Off-Spielstätte ausweist.
Die Finanzierung erfolgt aus dem Kulturförderetat, wobei die für Einzelplan 02 vorgesehenen finanziellen Plafonds gemäß mittel­fristiger Finanzplanung einzuhalten sind.


Diskussion des Antrags im Landtag am 17. Dezember 09
Dieser Antrag wurde am 17. Dezember kurz vor 16:00 Uhr im Landtag aufgerufen, und das Interesse des Landesparlamentes an kulturellen Fragen wurde eindrucksvoll dadurch dokumentiert, dass die meisten Abgeordneten den Plenarsaal verließen, was kaum hörbar den Landtags­präsidenten zu dem Kommentar veranlasste:
„Für die Kultur haben sie nicht viel über, da sind sie alle draußen, … wenn’s ums Geld geht, sind sie alle drin“.
Zunächst trat für die CDU der kulturelle Sprecher Dr. Thomas Sternberg ans Mikrofon, der gleich zu Beginn hervorhob, dass er die Freie Szene durch die Kürzungen der kommunalen Haushalte bedroht sieht.
Und das ist deshalb so schlimm und so katastrophal, weil sich in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten besonders viel getan hat. Das, was früher einmal die ,nichtprofessionelle Szene’ hieß, hat sich längst verändert in eine hochprofessionelle freie Szene … Ich glaube, die besonders innovativen Dinge entstehen im Moment tatsächlich in dieser freien Szene. Und die hat in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahrzehnten eine ganz besondere Heimat. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine besonders reiche freie Szene. Diese freie Szene möchten wir stützen.“
Dr. Sternberg verwies auf die Bedeutung von Spielstätten wie das Pumpenhaus Münster oder den Ringlokschuppen in Mülheim für die freie Szene:
„Das hat sich gezeigt: Eine solche Verbindung aus Produktions­förderung mit einer etwas langfristigeren Konzeptionsförderung und der Unterhalt einer Spielstätte ist eine sehr gute Methode, solche Ensembles angemessen und richtig zu fördern.“
Noch weiter in ihrer Einschätzung der Bedeutung der Freien Szene für Nordrhein-Westfalen ging von der FDP Angela Freimuth:
„Die freie Theater- und Tanzszene hat sich von ihren Anfängen in den 70er Jahren bis heute zu einem kulturellen Aushängeschild unseres Landes Nordrhein-Westfalen entwickelt. … Man kann mit Fug und Recht behaupten, die freie Szene bestimmt heute mehr denn je das kulturelle Profil unseres Landes.“
Angela Freimuth verdeutlichte im Zusammenhang mit der in diesem Jahr abgeschlossenen mittelfristigen Verdoppelung des Kulturförderetats von 2005 auch die Leistungen der Freien Darstellenden Künstler in dem Bereich Kulturelle Bildung. Sie verweist auf die engen Kooperationen, die es im Zuge des Landesprogramms „Kultur und Schule“ bereits gibt. Das Programm würde sowohl von den Schulen, aber auch von den Künstlerinnen und Künstlern, die größtenteils aus der Freien Szene stammen, wirklich großartig angenommen.
„In diesem Zusammenhang möchte ich einmal mehr bei den Künstlerinnen und Künstlern Dank sagen für ihr Engagement und die besondere Verantwortungsübernahme, die sie in diesem Programm ,Kultur und Schule’ auch übernehmen […] Ohne dieses Engagement wäre ohne jeden Zweifel unser Konzept auch nicht umsetzbar. Nur durch ihr Engagement können unsere Kinder und Jugendlichen auf vielfältige Art und Weise an Kunst und Kultur auch praxisbezogen herangeführt werden.“
Angela Freimuth gab zu bedenken, dass die Förderstrukturen nicht nur erhalten werden müssen, sondern dass es wichtig sei, diese auszubauen und zu optimieren. Hierbei soll zukünftig auch stärker auf die Bedürfnisse der Freien Szene eingegangen werden. Vor allem sei es auch notwendig, die erforderliche Infrastruktur für die Freie Szene zu schaffen:
„Gerade die Freie Theater- und Tanzszene zeichnet sich eben in besonderer Weise auch dadurch aus, dass es dort nicht Ensembles gibt, die eine feste Spielstätte aufzuweisen haben, sondern dass man da eben auch den Fokus einer Neukonzeption auf die Sicherung einer Infrastruktur lenkt … Wo können die überhaupt auftreten? … Wo können die sich präsentieren? … Wo können die mit dem Publikum in Kontakt treten?“
Die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Claudia Scheler, betonte, dass ihre Fraktion auf der Seite der Kulturschaffenden und der Kultur­einrichtungen in NRW stehe, die im Moment unter dem Druck der Finanzlage der Kommunen leiden:
„Wir sehen sehr wohl, dass hier insbesondere die kleinen Theatergruppen, die Off-Theater, die innovativen jungen Theater besonders betroffen sind, weil natürlich die städtischen Theater unter einem besonderen Schutz stehen, insbesondere weil es kommunale Trägerschaften sind, und weil damit auch Personal verbunden ist. Man kürzt sehr viel schneller und einfacher, wenn es um Projektkostenzuschüsse geht oder um Betriebskosten­zuschüsse, bei den kleinen Theatern. Von daher bedürfen sie eines besonderen Schutzes. Das möchten wir mit tragen und mit unterstützen.“
Sie sieht Schwerpunkte bei einer Neukonzeptionierung der Fördermittel vor allem bei Gastspielen, den Honoraren bei Gastspielen, die Bezu­schussung von Reisekosten und eben auch bei den Auftritts­mög­lichkeiten. Eine Konzentration auf drei Spielstätten lehne sie hingegen ab:
„Ich glaube, Freie Theater leben davon, dass sie angebunden sind in der Kommune, in der sie existieren, wo sie auftreten. Ich glaube auch, dass sie einen Wert haben, indem sie Gastspiele machen. Ich halte nichts davon, drei Zentren in NRW zu schaffen. Ich glaube auch, dass die Freien Theater in dieser Frage entscheidend differenzieren von der Tanzszene. Es ist eine ganz andere Klientel, eine ganz andere Gruppe, die sehr viel stärker die Konzentration braucht. […] Ich glaube, die freie Theaterszene ist viel zu breit, viel zu bunt, viel zu sehr auch kommunal gebunden als dass wir sie hier in drei Zentren pressen könnten. […] Wir haben (in Düsseldorf) ja ein solches Zentrum mit dem Forum Freies Theater mit Personal, mit einem eigenen Haus, mit einer Intendanz, mit einer breit aufgestellten Wirkung in die Region, in Nordrhein-Westfalen und auch international. Aber das ist eben ein Spezifikum hier in Düsseldorf. Es ist hier gewachsen und hier entstanden […] Aber ich glaube nicht, dass damit gedient ist, den vielen Freien Theatergruppen, die wir in Köln haben, in Essen, in Duisburg, in Dortmund, in Münster, in Detmold oder in Bielefeld. Ich würde sehr kritisch diesen Punkt hier ansprechen wollen.“
Für die Grünen begrüßt Oliver Keymis den vorliegenden Antrag:
Die freie Szene ist natürlich immer auf der Suche nach einem Weg, sich einerseits ihre Freiheit zu bewahren und andererseits doch stärker an technische Möglichkeiten binden zu können und sie in ihrem Tun auszuprobieren. Deswegen guckt sie immer ein bisschen neidisch auf die großen und etablierten Häuser. Das kennen wir alle aus den größeren Städten, wo sich die freie Szene um die städtischen Institutionen herum angesiedelt hat. Interes­santerweise gibt es immer dort, wo schon ein Theater von der Stadt unterhalten wird, eine rege freie Szene. Das hängt also zusammen. Das ist wichtig für die Debatten, die wir auf kommu­naler Ebene und auch hier im Landtag im Hinblick auf die Förderung der Theaterkunst in unserem Land insgesamt führen müssen.
Diese freie Szene schielt immer auf solche Häuser nach dem Motto: Da möchten wir auch mal arbeiten, wir würden auch gerne mal die ganzen Scheinwerfer benutzen usw. – Das ist ja auch verständlich. Insofern wird eine Neukonzeption, über die wir anlässlich des Antrags diskutieren werden, zum Inhalt haben müssen, wie man solche Kooperationsmodelle noch stärker fördert. […]
Dabei ist es sehr wichtig, dass man die Freiheit der freien Theater respektiert, weil sie in einer anderen Art arbeiten wollen, als es etwa die fest angesiedelten etablierten Häuser tun.
Wichtig ist vor allen Dingen auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie man das Ganze so gestaltet, dass im Lande Ungerechtigkeiten nicht dort entstehen, wo sie auch bisher schon empfunden werden, zum Beispiel zwischen Westfalen und dem Rheinland. Man muss solche Zentren und solche Kompetenz­ausweitungsbereiche ein Stück weit über das Land verteilen und sehr genau gucken, wo sich etwas befindet.
Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass in den ländlichen Räumen freie Theaterszenen in der Regel nicht existieren. Aber man könnte für sie Möglichkeiten schaffen, auch dort zu spielen. Denn es ist schon wichtig, dass auch in Schulen und anderen Einrichtungen im ländlichen Bereich Auftritte möglich sind.
Im Moment erleben wir, dass die Kommunen sagen: Wir haben keine Knete mehr und können das Gastspiel eines solchen freien Theaterensembles leider gar nicht mehr einkaufen, um wie früher an unseren Schulen interessante Aufführungen im ländlichen Raum zu erleben. Im Rahmen einer solchen Diskussion sollten wir gucken, dass wir auch diese Not mit zu lindern versuchen. […]“
Abschließend trat Medienminister Andreas Krautscheid ans Mikrofon, um ein klares Statement für die Landesregierung abzugeben:
„Die Landesregierung begrüßt diesen Antrag und ist auch der Auffassung, dass er zum richtigen Zeitpunkt kommt, denn wie bei den anderen Zusagen wird auch hier der Finanzminister den Kulturhaushalt entsprechend ausstatten. Wir werden das im Plafonds hinbekommen.
Die angestrebte, im Antrag vorgeschlagene, neue Konzeption werden wir die gleiche Qualität und die gleiche Effizienz erreichen wie die neue Tanzkonzeption […] Wir begrüßen das im Antrag beschriebene Plädoyer für die Freien Künstler und ihre Produktionsstrukturen und wir begrüßen den Auftrag in zwei Schritten:
Die Förderkonzeption hier auf eine neue Basis zu stellen als ersten Schritt, mit den drei neuen Theaterzentren regional verteilt im Rheinland, Westfalen und Ruhrgebiet. Und als zweiten Schritt die langfristige Neustrukturierung der Freien Theaterförderung.
Dieses zielt auf eine deutlich verbesserte Förderung und eine bessere Effektivität und neue Energien bei bereits vorhandenen Investitionen. Wir werden außerdem darauf achten bei dieser Neukonzeption, dass die Antragsverfahren verschlankt werden und für mehr Kontinuität in der künstlerischen Freien Arbeit gesorgt wird.
Nordrhein-Westfalen ist ein traditionsreicher und starker Produktionsstandort für Freischaffende Künstler und Ensembles. Sie waren häufig die ersten, die unsere denkmalgeschützten Industrieareale als fantastische Räume für die Kunst entdeckt und zu Orten des Experiments gemacht haben. Diese beweglichen Systeme der Freien Szene hatten oft Vorreiterfunktion in vielen Bereichen, etwa der besonderen Widmung für junge Menschen, für das Publikum von morgen, Aber etwa auch im Aufgreifen von zentralen, gesellschaftspolitischen Themen der letzten Jahre. Sie haben sich dem Thema ,Gesellschaft im Wandel’ gewidmet, Künstlerinnen und Künstler anderer Kulturkreise wurden in die Arbeit eingebunden und eine besonders lobenswerte und förde­rungs­würdige Vorreiterfunktion gab es im Erarbeiten von neuen Theaterformen für so genannte bildungsferne Gesellschaftsgruppen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, den kreativen Humus unserer Kulturlandschaft, die Künstler und die Ensembles der Freien Kulturszene zu stärken.“ […]
Wir haben die Finanzierung in diesem Bereich um 60% aufgestockt […] Wir haben heute mit einem Fördervolumen von 4,6 Millionen Euro eine bundesweite Führungsposition.
Wir werden dafür Sorge tragen, dass wie in den vergangenen Jahren eine ausreichende Finanzierung im Kulturförderbereich sichergestellt ist.“
Zur Debatte im Landtag ist formell noch zu vermerken, dass alle Fraktionen der Weiterleitung in den Kulturausschuss zugestimmt haben.


Zusammenfassung
der wichtigsten Statements
Zunächst noch einmal kurz die wichtigsten Feststellungen Im Parlament über die Freie Tanz- und Theaterszene:
-          es handelt sich um eine hochprofessionelle freie Szene
-          die besonders innovativen Dinge entstehen im Moment tatsächlich in dieser freien Szene
-          die freie Szene ist das kulturelle Aushängeschild des Landes NRW
-          die freie Szene bestimmt heute mehr denn je das kulturelle Profil von NRW
-          ohne das Engagement der freien Szene wäre das Landesprogramm ,Kultur und Schule’ nicht umsetzbar
-          die Freien Tanz- und Theaterschaffenden waren häufig die ersten, die in NRW die Industrieareale für die Kunst entdeckt und zu Orten des Experiments gemacht haben
-          iese beweglichen Systeme der Freien Szene hatten oft Vorreiterfunktion in vielen Bereichen:
o    bei der besonderen Widmung für junge Menschen, für das Publikum von morgen
o    im Aufgreifen von zentralen, gesellschaftspolitischen Themen der letzten Jahre. Sie haben sich dem Thema ,Gesellschaft im Wandel’ gewidmet.
o    Künstlerinnen und Künstler anderer Kulturkreise wurden in die Arbeit eingebunden
o    eine besonders lobenswerte und förderungswürdige Vorreiterfunktion bei der Erarbeitung von neuen Theaterformen für so genannte bildungsferne Gesellschaftsgruppen


kritsche Betrachtung der einzelnen Aspekte
Wenn man diese kurze Auflistung betrachtet, fragt man sich wirklich, warum so viele notwendige Maßnahmen zur Förderung der Freien Szene in NRW bisher so langsam vorangekommen sind. Natürlich ist der Regierungskoalition Dank zu sagen für ihr Engagement für die Freie Szene, vor allem dem Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff, einem aus­gewiesenen Freund und Förderer, aber auch Kenner der Freien Dar­stellenden Künste. Es war sicherlich mutig, aber auch konsequent, den Förderetat für die Freie Szene im Jahr 2005 mittelfristig zu verdoppeln und in den Zeiten der „Finanzkrise“ auch weiterhin dazu zu stehen.
Aber wenn Minister Krautscheid sagt, die Fördermittel seien wie in den Jahren zuvor ausreichend, so muss dem doch vehement widersprochen werden: Wenn Freischaffende Künstler durch ihre Arbeit kein men­schenwürdiges Dasein finanzieren können und sich laut Künstler­sozialkasse mit einem Jahresnettoeinkommen von ca. 10.000,- Euro begnügen müssen, so ist das nicht ausreichend. Die Erhaltung von Förderetats, die so gerade eben mal die Finanzierung der Projekte ermöglicht, bietet Freischaffenden Künstlern keine wirkliche Perspektive.
Wirklich ausreichend wären die Fördermittel dann, wenn die Freien Gruppen z.B. die Schauspieler und Tänzer sozialversichert beschäftigen könnten, damit diese in den Zwischenzeiten der Nichtbeschäftigung Arbeitslosengeld beantragen könnten. Ausreichend wären die Förder­mittel dann, wenn die Freischaffenden Künstler für ein menschen­würdiges Dasein im Alter vorsorgen könnten. Ausreichend wären die Fördermittel dann, wenn Projekte ohne Eigenanteil durchgeführt werden könnten, da der Eigenanteil fast immer Honorarverzicht bedeutet. Ausreichend wären die Fördermittel dann, wenn auch die Vorbe­reitungszeiten von Projekten bei der Antragsfinanzierung ausreichend Berücksichtigung finden würden. Die Verantwortung von Förder­institutionen verlangt auch darauf zu achten, die soziale Schraube nicht nach unten hin zu verstellen. Wirklich ausreichend wäre die Förderung dann, wenn die Freien Künstler das Gefühl hätten, zumindest ansatzweise gerecht für ihre Leistung für die Gesellschaft, die sie auch nach Meinung aller kulturpolitischen Sprecher unbestritten erbringen, bezahlt zu werden.  
Deshalb sollte man an dieser Stelle auch zu bedenken geben, dass die mittelfristige Verdoppelung des Fördermitteletats vor allem für die dringend notwendige Aufstockung der Projekt- und Konzeptions­fördermittel angedacht war. Wenn diese Mittel nun für die Finanzierung der Aufwertung der Theaterzentren Verwendung finden, so ist dies angesichts der sozialen Lage der Freischaffenden Künstler kontra­produktiv.
Auf NRW bezogen sollte man die eine oder andere Aussage noch in aller gebotenen Kürze näher betrachten, da nicht alles den Gegebenheiten in der Praxis entspricht. Wenn z.B. Frau Scheler so strikt zwischen Tanz und Theater trennt und die Auffassung vertritt, das Sprechtheater im Gegensatz zum Tanz keine Konzentration in Theaterzentren benötige, so ist das schlichtweg falsch.
Zunächst einmal ist die strikte Spartentrennung zwischen Tanz, Sprechtheater, Musiktheater, Figurentheater und anderen Spielformen in der Freien Szene schon deshalb überholt, da zunehmend sparten­übergreifend produziert wird. Und die Entwicklungen in der Freien Szene zeigen, dass seit mindestens 10 Jahren Raumkonzeptionen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Somit sind eben auch gewisse Anforderungen an die räumlichen Voraussetzungen von Spielstätten gegeben. Und es wäre natürlich auch im Sinne der Freien Gruppen in Duisburg oder Detmold, wenn es dort Spielstätten gäbe, die diese Voraussetzungen erfüllen würden. In Kommunen dieser Größenordnungen ist es wichtig, dass sich das Publikum mit einem Ort für eine spezielle Kunstrichtung identifizieren kann, also ein Ort, wo sich die Freie Szene ein Profil erarbeiten kann.
Natürlich gibt es eine Vielzahl an Freien Theatern in allen Ziel­gruppenbereichen, die ausschließlich kommunal bzw. regional produ­zieren wollen. Aber es gibt ebenso eine große Vielzahl an Freien Theatern, die ungeachtet der kommunalen Bindung produzieren, und deren Projekte auf den überregionalen Fokus angewiesen sind, weil aufgrund der bearbeiteten Themen und der exzeptionellen Spielformen das Publikum in ihren Kommunen nicht ausreichend ist. Diese Theater benötigen Theaterzentren und deren Vernetzung, da ihre Produktionen sonst nach 5 oder 6 Vorstellungen in ihrer Heimatkommune abgespielt wären. Diese Theaterzentren wie z.B. das Forum Freies Theater sind Orte, die sich ein Profil mit überregionalem Publikumsinteresse erarbeitet haben und durch ihre Vernetzung die Möglichkeit bieten, dass Produktionen, die dort aufgeführt werden, auch in Hamburg, in Berlin, in Münster, in Frankfurt oder in Zürich gezeigt werden. Zudem verirren sich in diese Theaterzentren auch die ansonsten sehr defizitär berichtenden Kritiker, bei denen die Bedeutung der Freien Szene bisher noch immer nicht angekommen zu sein scheint.
err Keymis verweist in seinen Ausführungen auf die wünschenswerte Kooperation von Freien Theatern mit Stadttheatern, da die Freie Szene mit einem Auge angeblich auf diese Kulturtempel schielen würde mit dem Wunsch, dort auch einmal zu arbeiten, um all die tollen Scheinwerfer zu benutzen … Mein Gott, wie armselig in ihren Sehnsüchten wird hier eine hochprofessionelle Szene eingeschätzt. Das ist doch schon ehrenrührig! Natürlich sind Kooperationen vonseiten der Freien Szene mit Stadttheatern erwünscht. Aber bitteschön nur dann, wenn auch die Voraussetzungen stimmen. Und sicherlich nicht wegen der vielen schönen bunten Scheinwerfer, sondern weil es dort gut orga­nisierte Werkstätten gibt und eine funktionierende Verwaltung incl. Öffent­lichkeitsarbeit, die für gute Arbeitsvoraussetzungen bei einer Produktion sorgen kann und den Freien Künstlern Arbeit abnimmt, die sie normalerweise zusätzlich zu leisten haben.
Bei einer solchen Kooperation ist aber eine der wichtigsten Voraussetzungen, dass es sich um ein Double-Winner-System handelt. Das Stadttheater muss hierbei auf seine hierarchische Struktur ver­zichten und sich quasi der freien Produktionsstruktur anpassen oder diese zumindest zulassen. Nur dann kann eine solche Kooperation gelingen. Viele Partnerschaften sind gescheitert, weil Intendanten, Verwaltungsdirektoren und Dramaturgen die Freischaffenden Künstler in ihre Apparatur integrieren wollten. Ein wirklich gelungenes Koopera­tionsmodell gab es in Niedersachsen am Theater Hildesheim unter der Intendanz von Urs Bircher, der immer Partner und nicht Direktor in der Zusammenarbeit mit Freien Theatern war. Zudem war es in NRW, als solche Kooperationen gefördert wurden, doch sehr bedenklich, dass nur die Stadttheater (und nicht auch die Freien Theater) die Kooperations­fördermittel beantragen konnten.
Bei der Antragsinitiative der CDU und FDP sollte auch angemahnt werden, den Fokus nicht allein auf den „Erwachsenenbereich“ zu lenken, sondern bei der Neukonzeption der Fördermittel- und der Infrastruktur auch die Voraussetzungen und Gegebenheiten des Kinder- und Jugend­theaters zu beachten. Ca. 50% der Freien Theater produzieren für diese Zielgruppe und leisten einen wichtigen Beitrag insbesondere auf dem Gebiet der kulturellen Bildung. Wenn Herr Keymis sagt, im ländlichen Raum gäbe es kaum Freie Theater, so ist dies falsch. Denn im ländlichen Raum haben gerade Kinder- und Jugendtheater oftmals ihren Sitz. Da diese meist kleinen Kommunen nur beschränkt zur Finanzierung von Projekten in der Lage sind, sollte bei der Neustrukturierung der Förderstrukturen auch eine Förderung der Theater im ländlichen Raum unter den gegebenen Umständen Berücksichtigung finden.
Man könnte noch vieles anmerken, sollte aber die Initiative von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich loben. Wenn vor zehn Jahren jemand die Behauptung aufgestellt hätte, dass die eher konservativen Parteien sich der Problematik „Stärkung der Freien Szene“ annehmen und stellen würden, hätte man ihn leise belächelt. So ist es doch bemerkenswert, dass in letzter Zeit die Initiativen zur Stärkung der Freien Szene in Ländern vorangetrieben wurden, die von CDU und FDP regiert werden, wie eben in Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württem­berg. Für die SPD scheint es eine marginale Randerscheinung und für weite Teile der Grünen nicht existent zu sein.
Eines steht jedoch fest: Man sollte diesen Antrag und den Wortlaut der Debatte an Bundesländer wie Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen oder Schleswig-Holstein verschicken, wo viel zu wenig für die Freie Szene getan wird, wo sie so gut wie keine Unterstützung erfährt. Die Bundes­länder, in denen die Meinung vorherrscht, man müsse Freischaffende Darstellende Künstler nicht oder nur marginal fördern, verabschieden sich von einem Zukunftsmodell, das richtungsweisende Impulse in vielerlei Richtungen gibt. Sie verabschieden sich von einer Basis, die Kindern und Jugendlichen mit oder ohne Migrationshintergrund eine kulturelle Verankerung bietet. Sie verabschieden sich von einem wichtigen Bereich der zeitgenössischen Kunst, der nicht nur ästhetische, sondern wesentliche gesellschaftspolitische Impulse liefert.
Man hat in Nordrhein-Westfalen erkannt, dass die Freien Tanz- und Theaterschaffenden für das Land nicht nur Maßstäbe setzen, sondern einen immensen Wert darstellen. Man darf nun bei der Diskussion im Kulturausschuss gespannt sein, inwieweit dies auch wertgeschätzt wird … und dann insbesondere nach der Steuerschätzung im Mai hoffentlich nicht nur verbal.
Alexander Opitz
1. Vorsitzender Buft

ausoff-informationen >> nr. 01/10

Editorial off-informationen nr. 01/10

Seit der Sesshaftwerdung der (noch wandernden) Stämme um 10.000 n. Chr. und der anschließenden Gründung von Siedlungen und später den Städten, wurden mit dem Aussprechen des Stadtrechtes auch Marktrechte vergeben.
Auf diesen Märkten wurde mit Tieren und Lebensmitteln, handwerklichen Erzeugnissen und aber auch mit allerlei Scharlatanerie und ähnlichen Kunststücken Lebensbekräftigendes an den Mann gebracht.
Dort traten dann in größeren Städten die ersten wandernden Theatergruppen vor dem Volke auf. Um wetterunabhängiger zu sein, machten sich geschäftstüchtige Wirte daran in ihren Gasthöfen auch Theatergruppen auftreten zu lassen.
An den sich herausbildenden Höfen wurden zu besonderen Anlässen Theatergruppen eingeladen, was auch der Repräsentation und Unterhaltung diente. Als das „auf Zuruf Auftreten“ zu oft verlangt wurde, bildeten sich Hoftheater heraus. Im Zuge der Aufklärung und Industrialisierung wollte sich das Bürgertum vom Adel kulturell und wirtschaftlich emanzipieren und gründete in Industrie- und Handelszentren Stadttheater.
Das sich dabei herausbildende Stadttheatersystem lässt dieses noch sehr gut erkennen.


Als am Abend des 9. Novembers 1918 in Berlin die Aufsichtsbeamten der Kriminalpolizei und der politischen Polizei in den Parketts der Berliner Bühnen fehlten, der Kaiser mit mehreren Eisenbahnwagons sein Reich verließ brach für viele eine Welt zusammen.
1889 gründete sich in Berlin der „Verein Freie Bühne“ um mit der Vereinsform im Rahmen einer geschlossenen Vorstellung „ Gespenster“ von Hendrik Ibsen „… nicht aus der Geschichte, nicht aus den erhabenen Beispielen der Klassiker, sondern aus den Ängsten und den sozialen Zuständen der Gegenwart ….“ Einen anderen Wahrheitsbegriff und ein anderes Theater zu verlangen.“
Dies kann man, so man möchte, in Günther Rühles „Theater in Deutschland 1887 – 1945“ nachlesen.
Literaturhinweis und ein besonderer Tipp zum nachlesen:
Wie wird das Theater im 21. Jahrhundert aussehen?
Die Finanzkrise schlägt mit ihren Auswirkungen bis auf die Kommunen durch. Die Diskrepanz von sinkenden Einnahmen und z.B. steigenden Sozialausgaben vergrößert sich. Renten- und Sozialsysteme funktionieren nur noch bedingt. Die Bevölkerung schrumpft und konzentriert sich in Wachstumskernen. Die Staatsverschuldung steigt in eine nicht mehr fassbare Dimension. Die Entschuldung ist nicht mehr vor- und darstellbar.
Das Konkurrieren um öffentliches Geld nimmt obskure Formen an. Es siegen oft Investitionsförderer ohne eine spätere solide Finanzierung der Funktion im dann fertig gestellten Gebäude zu garantieren (siehe Neubau des Kölner Schauspiels).
Der Staat erzeugt künstlich Nachfrage, um die lahmende Export­wirt­schaft am köcheln zu halten.
Stadttheater mit ihrer klassischen Ausprägung als Ensemble- und Repertoiretheater werden neben Orchestern (auch große Museen werden bedrängt) zunehmend als Kostenauslöser wahrgenommen. Ihre Tarifbindung an den öffentlichen Dienst (mühselig erstritten) verringert ausschließlich die schon kargen künstlerischen Etats. Um überregional aufzufallen, setzt ein ständiger Wettbewerb um herausragende Künstler ein (dem können sich nur Großstädte aussetzen).
Es wird in Deutschland in Zukunft neben Kasernen, Kinos und Kirchen auch Theatergebäude mit zweckfremder Nutzung geben.
Aber es gibt auch mehrere Gegenbewegungen.
Eine davon sind Freie Theater. Sie fühlen sich als ständig selbst motivierende mündige Bürger und Künstler.
Sie glauben an Erkenntnisgewinne und Erkenntnisbestätigung durch Theater. Sie glauben an Phantasie- und Gefühlskonditionierungen durch Theater. Sie glauben an das Spiel, als zentrales Element von Theater.
Spiel schärft auch den Blick für Wirklichkeit.
Und nur wer in der Lage ist, Realitäten umgekehrt auch spielerisch zu denken, wird mit den Anforderungen gerecht, die wir einfach und kompliziert - mit LEBEN - umschreiben.
Ich wünsche allen Freien Theaterschaffenden ein künstlerisch und finanziell erfolgreiches Jahr 2010!
Frank Reich
Vorstandsmitglied des Landesverbands Freie Theater Brandenburg

21 Millionen Euro für die Kultur – Kulturstiftung des Bundes stellt neue Programme vor


Wir zitieren eine Pressemeldung vom 11. Dezember 09 der Kulturstiftung des Bundes: 
Insgesamt 21 Mio. Euro bewilligte der Stiftungsrat gestern unter Vorsitz von Kulturstaatsminister Bernd Neumann für neue Vorhaben der Kulturstiftung des Bundes, unter anderem für:
AGENTEN – FÜR DAS PUBLIKUM VON MORGEN Mit dem Programm Agenten macht die Kulturstiftung des Bundes den Ländern das Angebot, Kunst und Kultur im Schulalltag vor allem an Haupt- und Realschulen stärker zu verankern. Erfahrene Kulturvermittler, „Agenten“ für die Kultur, können gemeinsam mit der Schulleitung ein  umfassendes und fächerübergreifendes Angebot der kulturellen Bildung entwickeln, Kooperationen mit Kultureinrichtungen der Stadt stiften und künstle­rische Projekte mit den Schülern umsetzen. Für eine fünfjährige Erprobungsphase werden in Abstimmung mit der Kultusminister­konferenz zunächst 50 Schulen in voraussichtlich fünf Bundesländern ausgewählt. Voraussetzung ist die Kofinanzierung der Agenten durch die betreffenden Bundesländer. 10 Mio. Euro
ÜBER LEBENSKUNST. INITIATIVE FÜR KULTUR UND NACHHALTIGKEIT Der Klimawandel lässt eine ökologische Krise erwarten, die nur in der Allianz aller gesellschaftlichen Gruppen und in globaler Übereinkunft zu bewältigen scheint. Wie gelingt die Zusammenarbeit von Kunst, Wissen­schaft, Zivilgesellschaft und Bildung, so dass neue Vorstellungen einer ökologischen Lebenskunst des 21. Jahrhunderts entstehen und damit eine andere soziale Praxis? Mit einem weltweiten Call for Future startet die Kulturstiftung des Bundes Anfang des Jahres 2010 ihre Initiative für Kultur und Nachhaltigkeit in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Aus der Ideensammlung werden innovative Projekte von hoher Alltagspraktikabilität (Architektur, Mobilität, Ernährung usw.) entwickelt, die im Sommer 2011 auf einem großen Festival „Über Lebenskunst“ im Haus der Kulturen der Welt vorgestellt werden. In Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission entwickelt die Kulturstiftung des Bundes außerdem ein Moderatoren-Programm zur Entwicklung von Kulturprojekten zum Thema Nachhaltigkeit für Jugend­liche in Zusammenarbeit mit Schulen und Kultureinrichtungen. 3,5 Mio. Euro
OTION BANK Zur Sicherung des kulturellen Erbes fehlte es dem Tanz bisher unter anderem an brauchbaren Methoden zur Dokumentation und Archivierung von Choreografien. Vor einigen Jahren hat der Choreograf William Forsythe ein einzigartiges Notationssystem entwickelt,  mit dem sich eine Choreografie anhand einer Partitur rekonstruieren lässt. William Forsythe und seine Company planen das Notationssystem für Tanz weiterzuentwickeln, um es Künstler/innen, Tanzwissenschaftler/innen und einer Fachöffentlichkeit in der webbasierten Motion Bank zur Ver­fügung stellen zu können. Von 2010 bis 2013 fördert die Kultur­stiftung des Bundes die Erprobung dieses Notationssystems an Arbeiten von weiteren renommierten Choreograf/innen, die künstlerisch sehr unter­schied­lich arbeiten: Anna Teresa de Keersmaeker, Deborah Hay und Jonathan Burrows. Wenn sich das Verfahren bewährt,  könnten alle Choreografen ihre eigenen Stücke mit Hilfe einer anwendungs­freund­lichen und kostenlos erhältlichen Software in einer digitalen Partitur festhalten und sie in die Motion Bank integrieren. So entstünde ein Archiv für digitale Tanzpartituren. 1,4 Mio. Euro
HELDEN UND MONSTER - DIE GESELLSCHAFTLICHEN AUSWIRKUNGEN DER LIFE SCIENCES IM SPIEGEL DER KULTUR Der Verwirklichung des alten Menschheitstraums, Krankheit und Schmerz, Alter und Tod zu überwinden scheint die biotechnologische Entwicklung in den Life Sciences auf unheimliche Weise näher zu kommen. Den Möglichkeiten der Lebensverlängerung und der Optimierung des menschlichen Gehirns korrespondieren Alpträume von Existenzen, die weder wirklich leben noch wirklich sterben können. Die Kulturgeschichte kennt solche Figuren seit alters her: Mischwesen aus Mensch und Tier, Homunculi, Untote aller Art bevölkern auch das moderne Arsenal kollektiver Imaginationen (Vampire, Cyborgs). Die in den letzten Jahren zu beobachtende Konjunktur von „Untoten“-Gestalten vor allem in Film, Literatur und Popkultur könnte ein Anzeichen für eine verstärkte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den bereits alltäglichen und den möglichen Folgen der Biotechnologisierung des Lebens sein. In dem Themenfestival Helden und Monster - Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Life Sciences im Spiegel der Kultur im Herbst 2010 in der Leipziger Baumwollspinnerei will die Kulturstiftung des Bundes die ethischen Debatten über die medizinischen und lebenswissenschaftlichen Entwicklungen mit einem breiten Spektrum kultureller Produktionen aus Film, Literatur und Popkultur konfrontieren. Vertreter aus geisteswissen­schaftlichen Disziplinen treten in dem Themenfestival mit Protagonisten aus der biowissenschaftlichen Forschung und medizinischen Praxis in einen Dialog über die Zukunft der Gattung Mensch. 500.000 Euro
Textfeld: zurück zum AnfangDie interdisziplinäre Fachjury für die antragsgebundene Allgemeine Projektförderung sprach sich auf ihrer letzten Sitzung für die Förderung von 34 Projekten mit einem Gesamtfördervolumen von 4,8 Mio. Euro aus, u.a. für die Ausstellung Klimakapseln im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe über kulturelle Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Die Ausstellung Der große Potlatch im Japanischen Palais in Dresden und das kanadische U’ista Cultural Center in Alert Bay zeigen die Geschenkrituale der indianischen Gesellschaften im nordwestlichen Amerika und decken die ideologischen Hintergründe für die Kritik an dem „Verschwendung-Fest“ einer vermeintlichen Primitivkultur auf.  Alchemie des Alltags heißt eine Retrospektive über Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie, in deren Zentrum die kunsthistorischen Wirkungen und ästhetischen Einflüsse seines Schaffens stehen. 
In der Fontane-Stadt Neuruppin findet mit Neben der Spur ein europäisches Festival der Reiseliteratur mit Schriftstellern aus Osteuropa statt. Im Rahmen der MusikTriennale Köln 2010 kommt zum ersten Mal der Gesamtzyklus Klang, die 24 Stunden des Tages von Karlheinz Stockhausen zur Aufführung. Anlässlich der kirchlichen Luther-Feierlichkeiten zum 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags organisieren das Theater Dessau und der Wittenberg Kultur e.V. mit Himmel auf Erden ein internationales Musik-Festival. Die Berliner Choreografin Sasha Waltz realisiert mit Matsukaze ein choreografisches Opernprojekt zu einem Klassiker des japanischen Nô-Theaters. Die Werkleitz-Gesellschaft aus Halle an der Saale widmet ihr Themenfestival Angst hat große Augen aktuellen künstlerischen Auseinandersetzungen über eine Serie von Angstszenarien zu Beginn des 21. Jahrhunderts – vom 11. September über den Klimawandel bis zur aktuellen Finanzkrise.

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Kulturausgaben des Bundes steigen um 1,5%

Wir zitieren eine Pressemeldung der Bundesregierung vom 16. Dezember 09: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch, dem 15. Dezember 09, den Regierungsentwurf zum Haushalt 2010 beschlossen. Darin sind für die Kultur zusätzliche Mittel in Höhe von 17 Millionen Euro vorgesehen. Das entspricht einer Erhöhung von 1,5 Prozent.
Das Gesamtvolumen des Haushaltes des Kulturstaatsministers beträgt rund 1,2 Milliarden Euro. Seit seinem Amtsantritt 2005 hat Kultur­staatsminister Bernd Neumann damit eine Steigerung der Kulturaus­gaben von zehn Prozent erreichen können. Hinzu kommt 2010 die Realisierung zahlreicher Projekte in Höhe von ca. 30 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, unter anderem für den Martin-Gropius-Bau und die Stiftung Bauhaus Dessau. Darüber hinaus werden auch aus dem Sonderinvestitionsprogramm Kultur insgesamt 400 Millionen Euro weitere Mittel zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel für die Klassik Stiftung Weimar und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG).
Kulturstaatsminister Bernd Neumann betonte: „Die Erhöhung der Kulturausgaben zum fünften Mal in Folge dokumentiert den hohen Stellenwert der Kultur auf Bundesebene. Es ist ein wichtiges Signal für die Kultur in unserem Land, dass der Bund trotz Finanz- und Wirtschaftskrise den Kurs der Steigerungen im Kulturbereich gehalten hat und so mit gutem Beispiel für Länder und Kommunen vorangeht.“
Textfeld: zurück zum AnfangFür den Schwerpunkt „Kulturelle Bildung“ werden die Mittel ebenfalls um über 1 Million Euro erhöht, zum Beispiel zugunsten des Programms „Kulturelle Vermittlung“ und für das „Netz für Kinder“.
Darüber hinaus ist die Stärkung der Arbeit bestehender Einrichtungen beabsichtigt. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) wird beispiels­weise 5 Millionen Euro jährlich mehr erhalten, von denen der Bund 3,75 Millionen Euro finanziert. Der Etat der Deutschen Nationalbibliothek erhöht sich um 2 Millionen Euro und die Villa Massimo in Rom, der Ort für Künstlerstipendien des Bundes, wird zur Ausweitung ihrer Arbeit mit zusätzlichen 750.000 Euro unterstützt.
Der Förderbereich Musik wird ebenfalls mit zusätzlichen Mitteln gestärkt: Die Bayreuther Festspiele erhalten rund 600.000 Euro und die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH Berlin 2,1 Millionen Euro zusätzliche Förderung. Auch die Initiative Musik erhält eine Erhöhung um 500.000 Euro aus dem BKM-Haushalt 2010.

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